Albert Anker
Selbstbildnis, 1901
Das kleinformatige Selbstbildnis stammt aus dem Jahr, in dem Albert Anker siebzig Jahre alt wurde und einen Schlaganfall erlitt. Es kam 1917 als Legat seiner Witwe, Anna Anker, ins Kunstmuseum Bern. Das Gemälde zeigt den ergrauten Künstler im Dreiviertelprofil. Sein Blick ist offen, fokussiert und auf die Betrachter:innen gerichtet. Zugleich beobachtet sich Anker selbst im Spiegel, während er malt. Das Gemälde ist überraschend skizzenhaft und scheint in grosser Geschwindigkeit entstanden zu sein. Mit seinen lockeren Pinselstrichen mutet es fast impressionistisch an. Es hat nichts Repräsentatives oder Standesbewusstes, sondern wirkt wie eine Momentaufnahme, in der sich der Künstler kritisch befragt oder Bilanz zieht.
Da sich Albert Anker, soweit bekannt, in seinem Leben nur dreimal selbst gemalt hat, kommt diesem Selbstbildnis einige Bedeutung zu. Denn es entstand in einem wichtigen Moment in seinem Leben. Im Jahr zuvor wurde ihm der Ehrendoktortitel der Universität Bern verliehen und im Entstehungsjahr 1901 ernannte ihn die Gesellschaft Schweizerischer Maler und Bildhauer zum Ehrenmitglied. Sogar der Bundesrat gratulierte ihm zum 70. Geburtstag. Dennoch war Ankers Charakter von Bescheidenheit geprägt. Als ihm ebenfalls im Jahr 1901 die Bernische Kunstgesellschaft eine Ausstellung ausrichten wollte, lehnte er ab und schrieb: «Ich machte, was ich konnte, aber die Flügel eines Spatzes sind nicht die eines Adlers.» Schon 1886 hatte er dem Jugendfreund Auguste Bachelin resigniert geschrieben: «Im Allgemeinen, je länger man lebt, ist es nicht mehr lustig; man hat alle menschlichen Eindrücke durchgemacht und muss immer wieder von vorne anfangen. Nichts besseres kommt mehr als das, was man schon kennt, und das deprimiert einen. Ich habe nichts neues mehr zu erwarten ausser den Überraschungen, die mir mein Amt als Grossvater bereithält.»