Tracey Rose
Ciao Bella Ms Cast: Silhouetta (2002)
Bei der in dieser Fotografie gezeigten Prozession schattenhafter Gestalten handelt es sich um eine Feier mit Musik und Tanz, einer Szene aus einem Dorffest. Der Titel spielt auf eine Technik an, Silhouetten herzustellen, die Mitte des 18. Jahrhunderts beliebt wurde: den Scherenschnitt. Die in Frankreich erfundene Technik ist nach dem damaligen Finanzminister Étienne de Silhouette benannt, der dem Land mit seinem drakonischen Sparkurs zusetzte. Unter Einsatz billigster Materialien wurde von Hand aus schwarzem Papier die ununterbrochene Umrisslinie eines Gesichts im Profil ausgeschnitten und auf einen weissen Hintergrund geklebt. Diese Form des Portraitierens, auch Schattenriss oder Schwarzbild genannt, lebt auch heute in verschiedenster Form fort – als Schattenspiel, im Theater, in der Fotografie, im Animationsfilm oder Grafikdesign.
Roses Foto konfrontiert uns mit einem Vaudeville-Szenario, in dem sich Gesang, Tanz und Puppentheater verbinden. In dem von der Künstlerin produzierten Film Ciao Bella ist die Schattenriss-Prozession animiert und die Figuren verwandeln sich in einer Endlosschlaufe ineinander. Kleidung und Tanzstil erinnern an die amerikanisch-französische Schwarze Tänzerin Josephine Baker, die im Paris der 1920er-Jahre Erfolge feierte. Ihr Tanzstil war als «Danse Sauvage» bekannt, eine Freestyle-Form des Modern Jazz. Baker betrieb dabei ein Spiel mit den Phantasien ihres Publikums über die primitive Natur afrikanischer Menschen und der Tendenz der Weissen, Schwarze Haut und Schwarze Körper zu exotisieren. Ihre unverhüllte Präsenz und ihr Glamour auf der Bühne machten sie zu einem Erotiksymbol. Darüber hinaus war sie während des Zweiten Weltkriegs jedoch auch als Spionin aktiv, wurde zur Bürgerrechtsaktivistin und war Mutter einer ganzen Schar adoptierter Kinder unterschiedlicher Hautfarben.
Indem Rose das Vermächtnis der ikonischen Figur in Silhouetta auf einen blossen Schattenriss reduziert, macht sie uns bewusst, wie sehr Bakers Talente und ihr Beitrag zur Geschichte von der Erotisierung ihres Abbilds überschattet werden.