Albert Anker
Gestört, 1881
Während eine Schülerin am Tisch ihre Hausaufgaben auf der Schiefertafel erledigt, steht ein kleiner Junge, dessen Nasenspitze kaum über die Tischkante reicht, daneben und scheint zu quengeln. Das blonde Mädchen ist in seine Arbeit vertieft und lächelt ob dem vergeblichen Störmanöver. Die Augen des Buben sind auf den Apfel gerichtet, welcher vor der Schiefertafel auf dem Tisch liegt. Möchte er den Apfel haben, der als Belohnung für den Fleiss der Schülerin bereit liegt? Die Frucht ist der einzige prägnante Farbtupfer im Zentrum des Interesses und befindet sich genau in der unteren Bildmitte. Zusammen mit den beiden Kindergesichtern bildet der Apfel ein gleichschenkliges Dreieck und ist gleich weit entfernt vom Mund des Mädchens und dem, des kleinen Störenfrieds. Während der Arm des Mädchens eine Barriere zum Apfel bildet, könnte das Lächeln auf schwesterliche Nachsicht und Grosszügigkeit deuten. Beides sind feine psychologische Regungen im geschwisterlichen Beziehungsgeflecht. Schon 1900 wurde das Bild in der Zeitschrift Die Schweiz (Bd. 4, Heft 8) als herausragende Beobachtung kindlichen Wesens gerühmt. Albert Gessler lobt: «Wie viel tüchtiges Studium steckt in diesen zwei Köpfen (…) wieviel Liebe zu jeder Einzelheit, wieviel stille Sammlung an das Wesentliche hin gehört dazu, bis ein so einfaches, aber zugleich harmonisches Bild entsteht».