Albert Anker
Frau am Fenster, lesend, 26. September 1897
Für seine Federzeichnungen bediente sich Alber Anker sowohl der breiten Rohrfeder als auch der elastischen Kielfeder und der harten Metallfeder. Die Schreibfeder und das Tintenfass hatte er schnell zu Hand, wenn er seine Kinder und seine Ehefrau in den 1880er- und 1890er-Jahren zu abendlicher Stunde beim Lesen erfassen wollte. Oder wenn er Skizzen für ein Auftragswerk machte. Der Künstler arbeitete dabei so nah wie möglich nach der Natur, das heisst nach dem lebenden Modell und dem realen Gegenstand. Es konnte gut sein, dass er gewisse Studien in anderer Technik nochmals wiederholte oder zu einem Gemälde ausarbeitete. Während vieler Jahre skizzierte Anker vor allem während dem Sommer in Ins, um im Winter in Paris dann die Skizzen zu Gemälden auszuarbeiten. Die drei Skizzen zeigen eine elegant gekleidete, lesende junge Frau in einem grossbürgerlichen Milieu, mal am Fenster sitzend, mal am Tisch über ein Buch gebeugt. Es könnte Marie Anker sein, welche zur Zeit der Entstehung der Zeichnungen (1897/98) 25 bzw. 26 Jahre alt war und 1892 den Musikprofessor Albert Quinche in Neuenburg geheiratet hatte. Das elegante Interieur würde gut zur Ehefrau eines Professors passen. Zwei Gründe sprechen dafür, ihre Porträts darin zu vermuten: erstens kam dieses Skizzenheftaus dem Besitz von Charlotte Quinche, der Tochter von Marie Anker, und zweitens steht auf dem Umschlag des selbst zusammengehefteten Skizzenbuchs die Widmung: « ALBUM de PAPIER-AMOUR collectionné pour MARIE. »