Albert Anker
Studie zu «Kinderkrippe I», 1889
Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Winterthur. Foto: SKKG 2024
Die Studie auf Pergamin gehört zum Gemälde Die Kinderkrippe I (1890), welches sich in der Sammlung des Museum Reinhart am Stadtgarten in Winterthur befindet. Das Gemälde und die vorbereitende Skizze stellen die Kinder in der Krippe am Gerberngraben in der Stadt Bern dar. Sie zeigt die Kinder beim Essen, betreut von einer Diakonisse. Die Kinderkrippe wurde 1879 von den Diakonissen gegründet und ist eine dezidiert städtische Institution, die von der städtischen Gesellschaft hervorgebracht wurde. Denn die agrarisch geprägte ländliche Gesellschaft brauchte keine Kinderkrippen zur ausserschulischen Kinderbetreuung. Die Trennung zwischen Wohnen und Arbeitsplatz war noch nicht weit fortgeschritten; dies ermöglichte auch armen Kleinbauern und Heimarbeitern die Kinderbetreuung. Erst durch die Landflucht wurden die familiären Netze auseinandergerissen. Die Grossmütter kamen nicht mit in die Stadt und die Mädchen, welche alt genug für die Kinderbetreuung gewesen wären, wurden zur Lohnarbeit geschickt. Ausserdem waren die Familien durch die harte Arbeit und die langen Arbeitszeiten stark belastet und oft zerrüttet. Die kleinen Kinder liefen Gefahr zu verwahrlosen. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde die Krippe im Berner Gerberngraben eingeführt. Gemäss dem Reglement der Krippe wurden Kinder im Alter von vierzehn Tagen bis zu vier Jahren betreut. Die Krippe als Sozialwerk war für Kinder gedacht, deren Mütter aus existenziellen Gründen nicht in der Lage waren, die Kinderbetreuung selbst zu übernehmen, und auch keine andere Möglichkeit zur Kinderbetreuung wahrnehmen konnten. In der Darstellung ist besonders, dass dem Künstler sowohl für die Diakonisse als auch für die Kinder Bewohner:innen aus Ins und Umgebung Modell gesessen haben. Damit hat Anker gewissermassen die Kinder aus dem Seeland in einer städtischen Szene in Bern dargestellt.