Franz West (1947−2012)
3 - Galerie, 1992
Installation, 5-teilig, verschiedene Materialien, Video,
Kunstmuseum Bern, Stiftung Kunsthalle Bern

Franz Wests Installation Galerie umfasst einen leicht gebauten, nach oben offenen, weiss gestrichenen Raum, in dem sich ein aus Metallstäben und -rohren zusammengeschweisstes niedriges tischartiges Gestell mit einem darauf abgelegten «Passstück» aus Gips befindet. Ausserhalb dieses Raumes steht auf einem ähnlichen eisernen Podest ein Videomonitor gegenüber einem Sofa ebenfalls aus Eisen, das mit einem billigen, von dem Künstler Gilbert Bretterbauer farblich bearbeiteten Orientteppich bedeckt ist. Das Video zeigt einen möglichen Gebrauch des «Passstücks». [...] Die Installation reflektiert eine typische Ausstellungssituation: In einem White Cube wird eine Skulptur auf einem Podest präsentiert. Abweichend von dieser Konvention demonstriert West aber auch, dass das «Passstück» für die Benutzung vorgesehen ist. Ausserdem bringt er die Betrachtung von Kunst in die Nähe von häuslich konsumierter Unterhaltung.
Die Galerie verbindet mehrere, schon früher entwickelte Aspekte von Wests Oeuvre. Zu Beginn der Siebzigerjahre hatte er begonnen, zunächst aus Papiermaché, später auch aus Gips und Polyester Arbeiten herzustellen, denen der Dichter und Kunstkritiker Reinhard Priessnitz 1980 den Namen «Passstück» gegeben hat. Die Passstücke sind organische, der Verfassung des «Informe» entsprechende, aus plastischem Material unter Einschluss von Draht und Fundstücken wie Besenstielen oder Schnapsflaschen gefertigte Skulpturen, von denen West erwartet, dass sie im Gegenzug zum modernen Konzept der autonomen Skulptur in die Hand genommen oder an den Körper angelegt werden. Schon früh hat er entsprechende Fotografien eines möglichen Gebrauches gemacht. Robert Fleck nennt drei Quellen für die Passstücke: den Wiener Aktionismus der Sechzigerjahre, die Philosophie von Ludwig Wittgenstein und das psychoanalytische Denken von Jacques Lacan. Entscheidend ist, dass West das Passstück als umgekehrte Prothese betrachtet: «Es sollte eigentlich eine Darstellung von Neurosen sein. Ich behaupte, dass es so aussehen würde, wenn man Neurosen sehen könnte. Es hat auch eine gewisse Ähnlichkeit zu den Kultobjekten, die man in Afrika trägt. Ich habe es aus Polyester gemacht, also aus einem typischen Stoff von hier und es ist kein Kultgerät, sondern eine Neurose, die man hier trägt, was aus demselben Ursprung kommt. Der Mensch ist ein Prothesengott (S. Freud).» [...]
Quelle: Kunstmuseum Bern. Meisterwerke, Hg. Matthias Frehner / Valentina Locatelli, München: Hirmer Verlag, 2016, Kat. Nr. 159, S. 362 (Autor: Ulrich Loock)