Tracey Rose
Raison d’Être (2009)
In diesem Film begegnen wir der afrikanischen Göttin und mythischen Kreatur Mami Wata, deren Geschichte Rose neugestaltet. In unterschiedlichen Erzählungen vom afrikanischen Kontinent und aus der Diaspora wird sie als Wesen mit dem Oberkörper einer Frau und einem fischschwanzähnlichen Unterleib beschrieben. Die Begegnung einer sterblichen Person mit dem Wassergeist gewährt dieser Zugang zur Welt des Übersinnlichen und führt zu Reichtum, Gesundheit und Schönheit. In Roses Film ist Mami Wata am Ufer eines Flusses mit ihrer Schönheitspflege beschäftigt; unterdessen nähert sich ein Boot. An Bord befindet sich ein junges Mädchen namens Verida. Die Göttin springt ins Wasser und schwimmt auf das Boot zu, doch droht sie, an den Mengen an Öl und nuklearen Abfällen im Wasser zu ersticken.
Dieser Vorfall veranlasst Verida, aktiv zu werden. Sie organisiert einen Protestmarsch, um Mami Wata vor weiterer Verschmutzung des Flusses zu schützen, und weigert sich, Fisch zu essen. Verida symbolisiert die Macht der jungen Generation zur gesellschaftlichen Transformation. Rose greift in ihrem Werk auf Techniken der Nouvelle Vague zurück, einer Stilrichtung des französischen Kinos aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Das im Film gesprochene Französisch wird von handgeschriebenem Text auf Englisch begleitet, der von der Künstlerin im Stil ihrer Zeichnungen gestaltet wurde. Die Geschichte entwickelt sich in Form fragmentarischer Episoden, in denen sich Bilder, Text und Musik ineinander verweben.
Die Tradition der mündlichen Überlieferung wird hier in eine experimentelle Form der Kunst überführt, indem afrikanisches Brauchtum als Kommentar zu zeitgenössischen soziopolitischen Problemen wie der Umweltzerstörung eingesetzt wird.