Tracey Rose
Hard Black on Cotton (2019)
Hier begegnen die Betrachter:innen einer – von Rose im Hochformat gefilmten – Figur, die spirituelle Mächte heraufzubeschwören sucht. Der in ein Leopardenmuster-Outfit gekleidete ‚Profiteering Prophet’ (Profitgieriger Prophet) bewegt sich in einem schwach beleuchteten Raum, der mit Gegenständen, Hilfsmitteln und Symbolen gefüllt ist, wie sie von Wahrsager:innen für ihre Praktiken benutzt werden. Er verbrennt Imphepho, eine afrikanische Salbeiart, die als Räucherwerk zum Einsatz kommt, wenn man Kontakt mit den Verstorbenen aufnehmen will. Die Pflanze kann Trancezustände herbeiführen und während des Gebets die spirituelle Energie reinigen. Während er einen in klassischem Latein geschriebenen Text rezitiert – vermutlich eine magische Formel – erhält er eine Antwort von einem übersinnlichen Wesen. Die Verwendung der lateinischen Sprache deutet auf den kolonialen Einfluss der europäischen Glaubenslehren auf die traditionellen spirituellen Praktiken Afrikas hin.
Die zwei Männerfiguren, der eine sichtbar und der andere unsichtbar, sprechen in unterschiedlichen lateinischen Dialekten, während das heilige Ritual vom voyeuristischen Blick der Kamera gestört wird. Mit der zunehmenden Verbreitung des Christentums wurden die traditionellen Heilkundigen von den kolonialen Systemen als böse Hexen(meister) dämonisiert und neu konvertierte Christ:innen angewiesen, den herkömmlichen Praktiken der Ahnenverehrung abzuschwören. Der ‚Profiteering Prophet’ trachtet danach, sich mit diesem Vermächtnis neu zu verbinden und die diskreditierten Traditionen zu neuem Leben zu erwecken. Ungeachtet dessen können wir beobachten, wie schwer er sich tut. Sein Vorhaben, einen wirklich mächtigen Geist herbeizurufen, ist letztendlich zum Scheitern verurteilt, und sein Wunsch, seinerseits Macht und Reichtum zu erlangen, bleibt ihm versagt.
Der Film hinterfragt die Motive von Männern, die von Geldgier getrieben sind und sich aus egoistischen Gründen mit spirituellen Mächten zu verbünden suchen.
Hard Black on Cotton ist auch der Titel einer Kombination von malerischen und gekritzelten Zeichen, die Tracey Rose mit einem HB-Bleistift unterschiedlich intensiv auf ein weisses Baumwollpapier aufgebracht hat: Es ist eine ihrer seltenen Arbeiten auf Papier. Sie spiegelt die Geschichte und Geschichtsschreibung Afrikas und gibt darüber hinaus Hinweise auf die Autobiografie und den familiären Hintergrund der Künstlerin. Auch in dieser Werkgruppe ist der europäische Griff nach kolonialer Macht das Thema. Während Roses Kritzeleien an Dichte zunehmen, wird deutlich, dass Afrika bis heute ein aus Bruchstücken zusammengeflickter Kontinent ist, auf dem Themen wie Wiedergutmachung, Wiederherstellung und das Verlernen anerzogener Automatismen nach wie vor aktuell sind.