Tracey Rose
Die Wit Man (2015)
Die Wit Man ist die Videoaufzeichnung eines Fussmarsches, den Rose in Brüssel unternahm; ihre Strecke führte dabei vom Zentrum für zeitgenössische Kunst WIELS zur Grabstätte Leopolds II. in der Königlichen Krypta in der Liebfrauenkirche in Laeken. «Die Wit Man» bedeutet «der weisse Mann» auf Afrikaans. Die Sprache geht auf die Niederländer zurück, die Südafrika seinerzeit besiedelten, heute jedoch sind eher Parallelen zu dem in Belgien gesprochenen Flämischen erkennbar. Auf Englisch liest sich der Titel Die Wit Man freilich auch im Sinne von «stirb, weisser Mann!»
Im Jahr 1526 schrieb König Nzinga Mbemba des Kongo, auch als Alfonso I. bekannt, einen flehenden Brief an König Johann III. von Portugal, in dem er die Bitte äusserte, der Versklavung seines Volkes, dem Feilbieten seiner Leute auf dem Sklavenmarkt und der körperlichen Entwürdigung durch portugiesische Amtsträger ein Ende zu bereiten. Sein Ersuchen fand jedoch kein Gehör. Einige Zeit später überlebte König Mbemba ein Attentat auf ihn, bei dem zwei Edelmänner in seinem Gefolge getötet wurden.
Die Wit Man ist ein Ruf nach Hilfe, an Persönlichkeiten gerichtet, die aus dem irdischen Leben schon ins Reich der Schatten übergegangen sind, ein Aufruf an jene, die zweifelsohne Veränderungen herbeigeführt hätten, wären sie nicht so verfrüht zu Tode gekommen, und zwar in vielen Fällen auf Betreiben des CIA. Es geht um den Versuch, die Spirale aus Angst und Hass zu durchbrechen. In Zulu genügt ein einziges Wort, um den Atem, die Geister der Ahnen, den Wind und die Luft zu beschreiben – ‚uMoya‘. Stirbt ein Mensch, so verwandelt er sich in Wind, in Luft. Wir Lebenden atmen die Geister der Toten ein und aus.
Das Totem aus Holz und Zweigen entstammt einer Konstruktion im Duden Park in Brüssel. Der Park war für die Mätresse Leopolds II. angelegt worden und ist heute der Standort einer Anlage zur industriellen Trocknung von Kiefernholz. Die Arbeit ist eine Nachbildung des abgestorbenen Baumes, von dem es heisst, er markiere die Stelle, an der die sterblichen Überreste Patrice Lumumbas begraben seien.
Zu den Elementen von Die Wit Man – übrigens auch übersetzbar als «der witzige Mann» – gehören eine weisse Homer Simpson-Maske und ein weisses «X» auf der Rückseite. Letzteres nimmt auf Roses Ausstellung «X» Bezug, die 2014 im Museum Reina Sofía stattfand, ist aber auch eine Anspielung auf den Heiligen Christophorus, dem Rose in verschiedener Gestalt begegnet ist. So traf sie in ihrem Leben auf unterschiedliche Männer dieses Namens, die allesamt Gefolgsleute und Background-Tänzer auf ihrer Bühne wurden.