Albert Anker
Dorfschule im Schwarzwald, 1858
Im Herbst 1858 reiste Anker zusammen mit dem deutschen Maler Ludwig Knaus in den Schwarzwald, um vor Ort das Bauernleben zu studieren. Anker liess sich für mehrere Wochen in Biberach nieder, sang im Kirchenchor und integrierte sich in die dörfliche Gemeinschaft. Anders als etwa Knaus in seinen Bildern, wollte Anker keine schwankhaften oder sentimentalen Szenen wiedergeben, sondern mit psychologischer Einfühlung die Wirklichkeit auf dem Lande festhalten. Seine Volksschule ist in aller Düsternis und stickigen Enge dargestellt. Der Lehrer an seinem Pult und mit einem Stock unter dem Arm verbreitet Angst und Schrecken. Vor ihm stehen drei Knaben und ein barfüssiges Mädchen, das in ein Taschentuch schluchzt. Ein weiterer Junge kniet vor dem Lehrer, welcher offenbar eine Strafpredigt hält. Einzelne Schüler schauen gebannt zu, während die Mädchen im Hintergrund weiterstricken. Es herrschen ein ziemliches Gedränge und eine denkbar ungünstige Ausgangslage für inspiriertes Lernen. Ausserdem dokumentiert es eine genderspezifische Trennung insofern, als die meisten Knaben einen Platz auf den Schulbänken haben, während Mädchen nur am Rande involviert sind, hauptsächlich mit Stricken. In diesem Gemälde behandelt Anker zum ersten Mal das Thema Volksschule. Mit ihm debütierte er 1859 im Pariser Salon, wo es umgehend von einem Sammler aus Glasgow, einem gewissen Mr. Dempster, für 1500 Franken erworben wurde. Während es in seiner Schwermut und Ärmlichkeit eine altmodische Auffassung von Schule verkörpert, bringt Anker in seinen späteren Darstellungen von Schulzimmern auch die schulpolitischen Errungenschaften und Neuerungen zum Ausdruck.