Albert Anker
Mädchen, die Haare flechtend, o. D. (vermutlich 1887)
Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Winterthur. Foto: SKKG 2024
Das Gemälde, welches zu dieser Zeichnung gehört, zählt zu Ankers anmutigsten Genrebildern überhaupt. Wie das Gemälde erinnert auch die Kohlezeichnung in seiner Machart stark an den niederländischen Maler Jan Vermeer, denn es zeigt ein Mädchen, das ganz in eine alltägliche Handlung versunken ist. Mit gesenktem Blick flechtet es konzentriert seine Zöpfe, das Morgenlicht dringt durch das Fenster von links und hebt die Figur stark vom dunklen Grund ab. Verschiedene Gegenstände lassen das Zimmer als Schlafkammer erkennen. Die Kerze ist erloschen, das Mädchen bereitet sich auf die Schule vor. Das geöffnete Buch verbindet den intimen Alltagsausschnitt mit dem Motiv der Bildung und des Lernens – niemand ist davon ausgeschlossen, was Anker ein grosses Anliegen war. Ihn interessierte der Mensch in seiner Individualität und seinem Milieu. Neugier und Wissensdurst sollten alle erfassen. Das Bild vermittelt Intimität und Geborgenheit. Alles ist von sorgfältiger Plastizität, subtiler Tonalität und stofflicher Präsenz. Gesten und Regungen sind zurückhaltend, Assoziationen des prächtigen hellen Haares mit den Sonnenstrahlen und der blühenden Jugend mit dem Werden des Tages drängen sich auf.