Tracey Rose
San Pedro V: ‚The Hope I hope‘ (2005)
Der Film und die Fotografien dokumentieren eine Live-Performance, die Rose in unmittelbarer Nähe der israelischen Sperranlagen zum Westjordanland realisierte, der sogenannten West Bank Barrier Wall. Rose, als San Pedro gekleidet, spielt damit auf den Heiligen Petrus an. Der Jünger und frühere Fischer war einer der Mitbegründer der frühen christlichen Kirche. Die Figur San Pedro tritt in mehreren von Roses Arbeiten in Erscheinung, unter anderem in Ciao Bella, 2001. Er ist in ihrer Praxis stets an seinen aufreizenden Outfits erkennbar – hier an der Körperbemalung in leuchtendem Rosa und den Netzstrümpfen.
In stolzem Gang marschiert die Figur der Wand entlang, bevor sie dann stehenbleibt, um die israelische Nationalhymne, die Hatikvah, auf einer elektrischen Gitarre zu spielen. Wie an dem Wachturm im Hintergrund zu erkennen ist, handelt es sich hier um Militärgebiet. Die Darbietung ist zugleich völlig surreal und in Anbetracht des Kontextes äusserst mutig. Wörtlich übersetzt heisst Hatikvah «die Hoffnung». Rose war neun Jahre alt, als sie lernte, die israelische Nationalhymne zu spielen. Sie wurde ihr in einer katholischen Klosterschule von einer deutschen Nonne beigebracht. Bei der morgendlichen Freitagsmesse pflegten Rose und drei ihrer Mitschülerinnen das Stück, das die Nonnen als «die Hoffnung, ein jüdisches Volkslied» bezeichneten, auf der Gitarre zu spielen, während die anderen Kinder zur Kommunion gingen.
Rose setzt die Performance in einem theatralischen Punkrock-Stil um. Mit ihrer rosa bemalten Haut, dem geschminkten Gesicht, ihrer blonden Perücke und ihrer Nacktheit verkörpert sie den rebellischen Geist der Rockmusik. In Roses Spiel wird die Hymne, ursprünglich ein jüdisches Volkslied über einen souveränen Staat, zum Aufschrei der Empörung, aber auch zum Ausdruck der Hoffnung auf gesellschaftliche Gleichberechtigung. Das Vorhandensein des militärischen Wachturms in der Distanz legt nahe, dass die Anlage von Soldaten bewacht wird und die Performance eine Verletzung der Militärhoheit darstellt.
In einer Geste des radikalen Protests schreibt San Pedro anstössige Graffiti an die Mauer und uriniert an sie. Der drastische Akt fungiert als Kommentar zu Israels Politik, die, durch religiöse Konflikte bedingt, mit weitreichenden Konsequenzen für das Land, seine Bevölkerung und das Recht der Personenfreizügigkeit verbunden ist. Er ist ein klares Zeichen der Unzufriedenheit mit einem System, das Menschen trennt. Darüber hinaus wird in der Arbeit auch die Vorliebe der Künstlerin für Wortspiele erkennbar: Sie spielt mit dem phonetischen Gleichklang des Wortes ‚urination‘ (urinieren) und dem Satz ‚you’re a nation‘ (ihr seid eine Nation).