Bricolage

Zu Beginn der 1960er-Jahren öffnet Carol Rama die flache Leinwand und erweitert diese mit Objekten aus ihrem Alltag. In den 1960er-Jahren liegt dieser Umgang mit Materialien in der Luft. In einer Zeit des gesellschaftlichen und politischen Aufbruchs, der Konsumkritik und des Protests gegen die traditionelle westliche Kunstgeschichte sollen Kunst und Alltag zusammengeführt werden. Diese radikale Forderung findet sich auch bei Künstler:innen der Arte Povera, die später in Turin entsteht. Rama malt mit Klebstoff, Emaille-, Öl- und Sprühfarbe, sie verwendet Metallspäne, Farbtuben, Puppenaugen und vieles mehr. Es sind Motive aus ihren frühen Aquarellen – ein Echo der Körperprothesen. Der Dichter Edoardo Sanguineti, ein enger Freund Ramas, bezeichnet ihre Materialexperimente 1964 als «Bricolage» (Basteln). Er bezieht sich auf den französischen Anthropologen Claude Lévi-Strauss, der mit dem Begriff eine Form des Denkens beschreibt. Diese greift auf Vorhandenes zurück, um Lösungen für Probleme zu finden und erfordert daher Offenheit und Improvisation. Der Begriff etabliert sich in der Folge in der westlichen Kunstgeschichte.
Zur Werkgruppe der Bricolage gehört die Serie Autorattristatrice aus den Jahren 1968– 1969. Die sogenannten «Napalm-Bilder» entstehen als Reaktion auf den Vietnamkrieg. Rama verurteilt damit den Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Über die Serie sagt sie: «Diese Bilder waren wie verbrannte und gequälte Menschen, immer mit einem Problem von Körper und Eros, gemacht mit einem schlechten Material wie schwarzer Sprühfarbe und mit aufgeklebten Augen. Ich hatte immer das Bedürfnis, eine Verstümmelung zu schaffen. Vielleicht war es auch eine Verstümmelung, die der Krieg mir zugefügt hatte.» Der Titel ist bezeichnenderweise eine Wortschöpfung aus rattristatrice – eine traurig stimmende Frau – und dem Präfix auto, das darauf hindeutet, dass sich die Frau selbst traurig macht. Zudem klingt im Wortspiel der Begriff autoritratto (Selbstporträt) an.