Gomme

Strenge, beinahe minimalistische Kompositionen prägen seit Beginn der 1970er-Jahre Carol Ramas Schaffen. Die grösste und vielfältigste Serie innerhalb der Werkgruppe der Gomme (Reifen) trägt den Titel Spazio anche più che tempo (Raum mehr noch als Zeit). Rama montiert aufgeschnittene Fahrradschläuche oder Schläuche für Autoreifen auf Leinwände. Form, Raum und Zeit sind das Thema, Ordnung und Strenge das gestalterische Prinzip. Rama durchbricht jedoch die vom Minimalismus vorgegebene Strenge und verbindet die Materialität mit körperlichen und erotischen Anspielungen: «Dieses Material habe ich verwendet, weil es für die Farbe der Haut steht, es war Fleisch, zum sinnlichen Berühren, es war erotisch!»
In der Industriestadt Turin, der von Fiat geprägten Autometropole, steht gebrauchtes und aussortiertes Gummi zur Verfügung. Es zeichnet sich durch verschiedene Farbgebungen aus. Auf den flachgewalzten Gummibahnen sind teilweise noch die Seriennummern zu lesen. Rama assoziiert Gummi auch mit ihrer Biografie: «Reifen haben mir viel Freude bereitet. Reifen erinnern mich an meinen Vater, die Fabrik, sie erinnern mich an Kraft.» Ramas Gomme sind vielschichtig, ambivalent und geprägt von intensiver körperlicher Präsenz. Auch in dieser Werkgruppe vermischen sich private und öffentliche Themen. Der Titel der Serie La guerra è astratta (Der Krieg ist abstrakt) ist etwa dem Gedicht Death to Van Gogh’s Ear von Allen Ginsberg aus dem Jahr 1957 entlehnt. Dort schreibt er: «War is abstract / the world will be destroyed / but I will die only for poetry, that will save the world» (Krieg ist abstrakt / die Welt wird zerstört / aber ich werde nur für die Poesie sterben, die die Welt retten wird).