IV. Ode an die Alpen
Ein unübersehbares Charakteristikum der Schweiz und damit auch zentraler Gegenstand der Schweizer Kunst bildet die Alpenlandschaft. In das unwirtliche Hochgebirge wagten sich Künstler:innen erst im 18. Jahrhundert, im Zeitalter von Aufklärung und Romantik, um als Begleiter von Naturforschern präzise Wiedergaben von Gipfeln, Gletschern und Bergseen zu schaffen. Zu ihnen zählt Caspar Wolf, der heute als einer der Pioniere der Schweizer Landschaftsmalerei gilt.
Im Zuge der wissenschaftlichen Erschliessung und des aufkommenden Tourismus erfuhren die Alpen allmählich eine Umdeutung: sie wurden vom furchterregenden Hindernis zum Hort von Ursprünglichkeit, Eintracht und Demokratie. Diese Auffassung prägte die nationale Identität und befeuerte den Fremdenverkehr. Die Darstellung der Alpenwelt und ihrer Bevölkerung gewann in der Folge an Bedeutung und entwickelte sich zunehmend zu einem spezialisierten Zweig der Grafik und Landschaftsmalerei, der auch die Nachfrage nach Souvenirs bediente. Ins Zentrum der Schilderungen rücken wie in den Gemälden von Franz Niklaus König Genreszenen mit Hirten, Berghütten oder Wanderern, die den Alpenraum als idyllischen Rückzugsort stilisieren.
Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts setzten Künstler wie Gottfried Steffan oder Alexandre Calame hingegen auf eine heroisch-romantische Darstellung. Mit dramatischen Gewitterstimmungen und Lichteffekten feierten sie die Erhabenheit der Alpen. Im Fokus stehen die gewaltigen Naturkräfte, während der Mensch höchstens als unbedeutende Staffage in Erscheinung tritt. In der Moderne erfuhr die Alpenmalerei durch formal vereinfachende Herangehensweisen erneut eine Weiterentwicklung. Insbesondere Ferdinand Hodler gilt als Erneuerer des Genres.